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Die wichtige Frage nach dem Sinn

Dr. Christian Schilcher von der Bertelsmannstiftung erforscht, welche Rolle Nachhaltigkeit bei der Jobwahl von Young Professionals spielt.
Veröffentlicht am 09.06.2022
Bild: Andrey Popov - stock.adobe.com

Herr Dr. Schilcher, Nachhaltigkeit spielt bei immer mehr Young Professionals eine große Rolle, wenn sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden sollen. Aber woran erkennen sie eigentlich ein nachhaltig agierendes Unternehmen?
Nachhaltigkeit ist für ein Unternehmen ein Prozess. Es ist ein Weg, eine Orientierung. Und kein Zustand, der von heute auf morgen erreicht wird. Ein nachhaltiger Arbeitgeber kümmert sich zum Beispiel um Umwelt- und Klimaschutz. Er macht Produkte und Produktionsabläufe umweltfreundlicher und setzt sich ambitionierte Ziele zur Verringerung seines CO2-Fußabdrucks.

Umwelt- und Klimaschutz spielt ja inzwischen bei vielen Unternehmen eine große Rolle. Wie unterscheiden sich besonders nachhaltige Arbeitgeber von den Mitbewerbern?
Ein nachhaltiger Arbeitgeber stellt die Beschäftigten in den Mittelpunkt seiner Personalpolitik, ermöglicht eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und fördert die persönliche Entwicklung und Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das gilt nicht nur für seine Angestellten vor Ort in Deutschland, sondern auch für die Betriebe in anderen Ländern, aus denen er Rohstoffe oder Produkte bezieht. Wenn hier Arbeiter fair
bezahlt werden, Arbeitsbedingungen in Ordnung sind und Menschenrechte nicht verletzt werden, nimmt das Unternehmen Nachhaltigkeit wirklich ernst.

Nachhaltigkeit geht also weit über den Umwelt- und Klimaschutz im Unternehmen hinaus?
Genau! Ein nachhaltiger Arbeitgeber engagiert sich zum Beispiel auch für das Gemeinwesen. Er hilft bei Problemlagen, indem er bei Themen wie zum Beispiel Integration, Armut oder Inklusion sinnvolle Projekte unterstützt oder selbst initiiert.

Warum sind Unternehmen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung annehmen, so interessant für Young Professionals?
Diese Unternehmen merken, dass mit dieser Perspektive weniger Last als vielmehr Chancen verbunden sind. Sie schärfen den Blick für ihr Umfeld, sie kommunizieren intensiver mit Stakeholdern und bilden neue Vernetzungen, sie entdecken neue Innovationspotentiale im eigenen Haus und neue Markt- und Kundensegmente. Damit steigern sie ihre Attraktivität als Arbeitgeber. Nachhaltigkeit im Unternehmen ist in diesem Sinne ein Schlüssel zur Entwicklung einer zukunftsfähigen Wirtschaftsweise von Unternehmen.

Wie verändert sich die Jobsuche von Young Professionals in Zeiten von Klimakrise & Co.?
Young Professionals suchen immer noch nach Jobs, die gut bezahlt sind und eine gute Karriereperspektive bieten. Aber ein wachsender Anteil der Beschäftigten – darunter auch viele Young Professionals – hinterfragen bei ihrer Arbeit den Daseinssinn, das Warum des Unternehmens und wünschen sich eine sinnstiftende Arbeit in einer Firma, die unsere Gesellschaft positiv voranbringt

Welche Rolle sollte Ihrer Meinung nach Nachhaltigkeit beim Arbeitgeber bei der Stellensuche spielen?
Das Thema Nachhaltigkeit ist ein guter Gradmesser dafür, welche Kultur im Unternehmen herrscht. Schaut man über den betrieblichen Tellerrand? Hat man sich über Werte im Unternehmen Gedanken gemacht? Bei der Jobsuche dem Arbeitgeber Fragen zur Nachhaltigkeit zu stellen, ist ein sehr guter Weg um zu erfahren, ob ein Betrieb zu einem passt oder nicht.

Wie wichtig ist dieser Aspekt der Nachhaltigkeit bereits?
Eine Unternehmensstrategie, die ausschließlich auf die Maximierung des Shareholdernutzens ausgerichtet ist, wird den aktuellen Herausforderungen und den Erwartungen der Gesellschaft an Unternehmen immer weniger gerecht. Man kann deutlich sehen, dass Aspekte der Nachhaltigkeit von Unternehmen immer häufiger erkannt, ernst genommen und bearbeitet werden.

Und wie lässt sich Karriere mit sinnhaftem Arbeiten machen?
Man muss schon lange nicht mehr nur bei einer NGO arbeiten, um einen Job mit Nachhaltigkeitsbezug zu haben. Auch im Unternehmen kann man verschiedene Beiträge zur Nachhaltigkeit leisten und seine Karriere hieran ausrichten. Möglichkeiten gibt es viele, denn Nachhaltigkeitsthemen können in so unterschiedlichen Bereichen bearbeitet werden wie zum Beispiel in der Beschaffung, Produktion, Forschung und Entwicklung, Unternehmensstrategie, im HR-Bereich oder in der Kommunikation und betrieblichen Berichterstattung.

DR. CHRISTIAN SCHILCHER

Dr. Christian Schilcher ist Soziologe und arbeitet bei der BertelsmannStiftung als Project Manager im Programm „Unternehmen in der Gesellschaft“. Dabei forscht er unter anderem dazu, wie sich Unternehmensverantwortung regional wirksam machen lässt.

LUST AUF MEHR NACHHALTIGKEIT IM JOB?

Auf dem Portal regional-engagiert.de unter https://regional-engagiert.de/inspirieren.html finden sich zahlreiche Beispiele aus der Praxis von Unternehmen, die Verantwortung übernehmen.

VON HEIKE THISSEN