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Aktive Entscheidungen fordern mentale Ressourcen

Psychologin M. Sc. Marina Eckert im Interview mit Jobs im Südwesten über Routinen und Gewohnheiten im Arbeitsalltag.
Veröffentlicht am 29.05.2021
Psychologin M. Sc. Marina Eckert ist Mitgründerin von Sklls. Das Unternehmen mit Sitz in Konstanz und Freiburg will Menschen helfen, sich frei zu entfalten und nicht in Routinen und den eigenen Grenzen stecken zu bleiben. Die Web-App Sally bietet Mitarbeitern von Unternehmen Zugang zu Coaching. | Bild: Alexander Stertzik

Frau Eckert, wenn wir erfolgreiche Menschen wie Steve Jobs oder Angela Merkel beobachten, stellen wir fest, dass sie eine persönliche modische Uniform haben. Bei Jobs war es der Rollkragenpulli, bei der Bundeskanzlerin die schwarze Hose mit farbigem Blazer. Warum ist das so?

Weil jede Entscheidung mentale Ressourcen fordert. Barack Obama, der in seiner Amtszeit immer den gleichen Anzugstyp trug, sagte mal in einem Interview, dass er seine Aufmerksamkeit lieber auf die wichtigen Dinge verwenden wollte. Die Forschung stützt ihn in diesem Punkt: Sich jedes Mal aktiv für etwas zu entscheiden, ist viel zu anstrengend. Gewohnheiten helfen hier.

Was genau verstehen Sie unter Gewohnheiten?

Gewohnheiten sind wiederkehrende Verhaltensweisen, die immer am gleichen Ort, zur gleichen Zeit, oder auf dieselbe Weise durchgeführt werden, wie zum Beispiel das Kaffee kochen am Morgen. Sie werden nicht aktiv hinterfragt oder verändert. Auf diese Weise bleiben sie stabil.

Aber es ist doch ziemlich unrealistisch, dass alle Tage identisch ablaufen!

Das stimmt! Die gute Nachricht ist, dass Zeiten des Umbruchs die beste Gelegenheit sind, um neue Gewohnheiten zu entwickeln. Wenn sich die Lebensumstände verändern, ist es leichter, aus dem bisherigen Trott auszubrechen und neue Routinen aufzubauen.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Bei uns im Team haben wir uns jüngst gefragt, welche positiven neuen Gewohnheiten wir uns im Corona-Jahr aufgebaut haben. Ich laufe immer ins Büro, anstatt mit dem Fahrrad zu fahren. So bin ich länger an der frischen Luft.

Und die anderen Gründungsmitglieder von Sklls, Heinrich Geywitz und Verena Hauser?

Mein Kollege Heinrich Geywitz hat die sozialen Einschränkungen als Chance genutzt, um alte Freundschaften wieder aufleben zu lassen. Ihm hat das Ausbrechen aus dem Gewohnten tolle Gespräche beschert. Und Verena Hauser, die dritte aus dem Sklls-Gründerteam, weiß seit Corona unsere „Weekly reflect & learn“-Calls noch mehr zu schätzen. Einmal wöchentlich telefonieren wir uns zusammen, um darüber zu sprechen, wie wir die Woche rückblickend bewerten und was jeder gelernt hat.

Wie gelingt das Integrieren von neuen Gewohnheiten am besten?

Neue Gewohnheiten brauchen zu Beginn vor allem viel Konkretes. Es gibt Eckpfeiler, die dabei helfen können, zum Beispiel ein fester Ort wie „immer auf dem Weg zur Arbeit“, eine feste Tageszeit wie „immer, wenn ich den PC hochfahre“, feste Tage wie „immer freitags“ und eine feste Dauer wie „immer eine halbe Stunde“. Diese Eckpfeiler sollten fest verankert sein, zum Beispiel durch einen festen Termin im Kalender. Am Anfang ist ohnehin jede Hilfestellung recht.

VON HEIKE THISSEN