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„Burnout ist keine Krankheit“

Motivationstrainer Slatco Sterzenbach sprach im Oktober auf dem diesjährigen Personalerforum des SÜDKURIER in Singen. Im Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin des SÜDKURIER redet er über das Gefühl, vor lauter Arbeit ausgebrannt zu sein.
Veröffentlicht am 07.06.2016

Motivationstrainer Slatco Sterzenbach sprach im Oktober auf dem diesjährigen Personalerforum des SÜDKURIER in Singen. Im Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin des SÜDKURIER redet er über das Gefühl, vor lauter Arbeit ausgebrannt zu sein.

Herr Sterzenbach, warum halten Sie Burnout für eine Modediagnose?

Unter dem Begriff Burnout werden heute viele Krankheitssymptome zusammengefasst, die man früher unter anderen Begriffen geführt hat und die nicht unbedingt zum Thema Burnout gehören. Ich finde es aber gut, dass derzeit viel über das Thema Burnout geredet wird. Gerade Männern fällt es leichter, vom Burnout zu reden, als von Depressionen oder Lebenskrisen. Der Begriff ist gesellschaftsfähig, weil er transportiert, dass man vor dieser Symptomatik des erschöpft seins sehr viel geleistet hat.

Ist Burnout eine Manager-Krankheit?

Ich tue mich schwer, Burnout als Krankheit zu bezeichnen. Burnout ist nur ein Label, eine Begriff für ein komplexes mentales, emotionales und somit physisches Erleben. Jeder kann sich ein Burnout erschaffen. Ich kenne Beamte mit einer 37 Stunden- Woche, Mütter und Geschäftsführer, die zu lange ihr Leben so gestaltet haben, dass sie ein Missverhältnis von Energie-Spendern und Energie-Räubern hatten. Wer zwei oder drei Kinder versorgen muss und sich noch um den Haushalt kümmert, kann ähnlich ausgebrannt sein wie ein Manager. Wir dürfen zwischen physischen Burnout und mentalen Burnout unterscheiden. Eine 100-Stunden-Woche, viele Flüge, zu wenig Schlaf und ungesunde Ernährung mit viel Stress leeren die physischen Ressourcen auf. Eine Tätigkeit ohne Spaß, mit viel Langeweile und ohne Sinn entleert die Akkus auf einer anderen Ebene.

Was sind Symptome eines Burnouts?

Die Symptome können sehr unterschiedlich sein. Ein Burnout verläuft in mehreren Phasen. Es beginnt immer mit dem Zwang, anderen etwas beweisen zu müssen. Die Frage, die wir uns stellen dürfen ist „Was treibt mich wirklich an“? Danach verliert man die Balance zwischen Energie-Spendern und Energie- Räubern. Eigene Bedürfnisse wie Schlaf, gesunde Ernährung oder Sport werden vernachlässigt. Die Energie sinkt. Vieles, was vorher leicht von der Hand ging, fällt zunehmend schwer. Diese Menschen sind schneller genervt. Treffen mit Freunden am Wochenende werden als weiterer Störfaktor wahrgenommen. Der eigene Antrieb nimmt immer mehr ab. Die weiteren Symptome können unterschiedlich sein. Manche Betroffenen leiden unter Konzentrationsstörungen, andere entwickeln Allergien und wiederum andere bekommen Tinnitus. Der Körper meldet sich und sagt „Ich kann und will nichts mehr hören.“ Das kann bis zu einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall gehen. Es liegt nur meistens nicht an dem Umfang der Arbeit, sondern daran, ob diese Tätigkeit Freude und Spaß bereitet und es genügend Dinge im Leben gibt, die Energie geben.

Welche Rolle spielt der digitale Stress durch zu viele E-Mails?

Vielen Arbeitnehmern gelingt es nicht, mit den modernen Kommunikationsmitteln umzugehen. Viele setzen sich oft beim Beantworten von E-Mails selber unter Zeitdruck, obwohl es gar nicht nötig wäre. In den meisten Branchen reicht es, zweimal am Tag seine E-Mails zu sichten und zu beantworten. Zum ersten Mal um 12 Uhr und einmal um 16 Uhr. Das reicht. Morgens als erstes nicht mehr die E-Mails zu lesen, sondern erstmal produktive Dinge tun, allein diese neue Verhaltensweise wird das Leben deutlich verbessern.

Was kann man tun, um einen Burnout zu vermeiden?

Viele Menschen da draußen dürfen achtsamer und bewusster mit ihrer Lebenszeit umgehen und wieder lernen, zu entspannen. Reduziere solche sinnlosen Tätigkeiten wie das ziellose Rumsurfen im Internet, Posts bei Facebook anschauen und Fernseh-Konsum und ersetze sie durch Treffen mit Freunden, Sport und gute und anregende Literatur lesen. Eine gute Methode für mehr Achtsamkeit und Bewusstheit ist es, seinen Arbeitsalltag einmal zu protokollieren, um reflektieren zu können, auf welche Tätigkeiten man verzichten kann. Mit was verbringe ich meinen Tag? Bin ich produktiv oder geschäftig?

Was kann man machen, wenn man einen Burnout hat?

Menschen mit Burnout dürfen ihre Krise als Chance begreifen und aus dem bisherigen Verhalten lernen. Sie wissen dann: den Quatsch mache ich nicht noch mal. Sie lernen durch diese Sinn-Phase, dass sie mehr Dinge tun dürfen, die zu ihnen passen, ihre Stärken auszuleben und mehr neue energiespendende Aktivitäten wie Sport und gesunde Ernährung in ihren Tag zu integrieren. Viele wechseln auch ihren Job, weil sie erkannt haben, dass sie andere Träume hatten von ihrem Leben.

Was können Unternehmen tun, um die Gesundheit ihrer Angestellten zu erhalten?

Das Wertvollste im Unternehmen sind die Menschen. Sie sind die Quelle von Kreativität, von neuen Ideen und von Veränderung. Deswegen ist die Investition in die Persönlichkeitsentwicklung so elementar. Denn wenn Angestellte nicht Verantwortung für ihr eigenes Tun übernehmen, kommen sie automatisch in einen Teufelskreis. Ein Krankheitstag kostet je nach Anforderungsprofil das Unternehmen zwischen 300 und 1000 Euro. Ein Burnout-Fall im Unternehmen kann also schnell mehrere 100 000 Euro kosten. Es rollt ein Tsunamie auf uns zu. Die Medienabhängigkeit nimmt zu, Diabetes Mellitus ist am Vormarsch, immer mehr Menschen haben starkes Übergewicht, das Stressempfinden wird stärker. Intelligente Firmen erkennen dies und steuern dagegen, denn sie wissen: Prävention ist eine Investition in die Zukunft.

Fragen: Thomas Domjahn