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Intuitives Führen lässt sich lernen

Wirtschaftspsychologin Maria-Theresia Dippon im Interview zum Thema Intuitive Führung.
Veröffentlicht am 04.09.2021
Maria-Theresia Dippon ist Wirtschaftspsychologin, systemischer Coach, Speakerin und Businessmentorin. Vor allem das Intuitive Führen liegt der 30-jährigen Ravensburgerin sehr am Herzen | Bild: Privat

Frau Dippon, was verstehen Sie unter „Intuitivem Führen“?

Wer intuitiv führt, hört als Führungskraft nicht ausschließlich auf den Verstand, sondern vielmehr auf das Herz und den Bauch. Vieles beim Intuitiven Führen ist rational nicht erklärbar. Denn es geht unter anderem darum, die Resonanz von sich selbst und anderen zu spüren.

Welche Chefs machen Ihrer Meinung nach bereits Gebrauch davon?

Ich habe bei meinen Kundinnen und Kunden festgestellt, dass vor allem die Führungskräfte, die selbst auf Persönlichkeitsentwicklung Wert legen, für intuitives Führen offen sind. Das wirkt sich dann auch auf die Angestellten aus, weil sie es entsprechend vorgelebt bekommen. Oft sind beide Seiten – Führungsebene und Mitarbeiterschaft – sehr begeistert davon, wenn diese Art, ein Unternehmen zu leiten, integriert wird.

Können Frauen besser intuitiv führen als Männer?

Das kann man so nicht pauschalisieren. Ich kenne viele Männer, die sehr gut intuitiv führen. Die Frage ist vielmehr, ob der oder die Vorgesetzte es zulassen kann, die Intuition mit einzubeziehen in Mitarbeiterführungen und Entscheidungsfindung. Denn grundsätzlich hat jeder Mensch eine Intuition und entscheidet, ob er darauf zugreifen kann oder nicht. Frauen haben es da meistens etwas leichter, weil es gesellschaftlich eher akzeptiert ist, dass sie weich und gefühlvoll sind. Männer müssen manchmal erst einen Zugang zu dieser Seite von sich finden.

Ist Intuitives Führen erlernbar?

Definitiv! Ich habe schon bei verschiedenen Trainings erlebt, dass enorme Fortschritte in kurzer Zeit möglich sind. Es gibt viele tolle Beispiele dafür, wie das Einsetzen von Resonanz sowohl bei Führungskräften als auch bei ihren Mitarbeitenden wirken kann. Voraussetzung ist natürlich, dass jemand es wirklich lernen will und offen dafür ist.

Welches sind die drei wichtigsten Punkte beim Intuitiven Führen?

Erstens: Wer intuitiv führen will, sollte zuerst Stress abbauen. Wer gestresst ist, ist nicht mit sich in Verbindung. Nur, wer mit sich selbst in Resonanz ist, kann entsprechend auf andere Menschen eingehen. Zweitens: Intuitives Führen sollte man im Vorfeld üben. Es ist für Führungspersonen wichtig, sich zunächst selbst persönlich zu entwickeln und herauszufinden, wo sie ihre Triggerpunkte haben und welche Knöpfe unbewusst gedrückt werden. So können sie schon im Vorfeld schwierige Situationen üben und später selbst in einem Notfall intuitiv entscheiden. Drittens: Achtsamkeit gegenüber sich selbst und dem Umfeld spielt eine entscheidende Rolle beim Intuitiven Führen. Dieses kurze Innehalten und Abchecken, ob ich als Entscheiderin oder Entscheider grade mit mir verbunden bin oder gedanklich ganz woanders bin, halte ich für sehr wichtig.

Geht Intuitives Führen auch im Homeoffice?

Ja, das geht tatsächlich. Auch bei Videokonferenzen und Online-Meetings ist es möglich, die Stimmung zu spüren, die gerade herrscht. Ob das eine Runde ist, in der man sich wohlfühlen kann, oder eine, in der man lieber auf der Hut ist, lässt sich sehr gut erfühlen. Dafür darf ich aber lernen, die Informationen, die mir normalerweise der haptische Kontakt wie der Händedruck vermittelt, mit anderen Sinnen zu ersetzen. Auch über Webcam und Bildschirm lassen sich soziale Nähe und Verbundenheit herstellen, damit sich die Mitarbeitenden verstanden und abgeholt fühlen.

VON HEIKE THISSEN