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Powerpoint hat keine Power mehr

Präsentieren am Flipchart hat Vorteile. Davon ist auch Coach Gert Schilling aus Berlin überzeugt. Das Bild entstand bei einem Vortrag auf der Messe Didacta.
Veröffentlicht am 02.03.2020
Präsentieren am Flipchart hat Vorteile. Davon ist auch Coach Gert Schilling aus Berlin überzeugt. Das Bild entstand bei einem Vortrag auf der Messe Didacta. BILD: TOBIAS SCHORMANN/DPA

Hundert vergeudete Stunden

Umfragen haben ergeben, dass Angestellte und Freiberufler etwa hundert Stunden im Jahr damit vergeuden, Powerpoint-Präsentationen vorzubereiten. Und das, obwohl zwischenzeitlich dank wissenschaftlicher Untersuchungen erwiesen ist, dass Zuhörer sich nur unwesentlich mehr merken, wenn sie die wichtigsten Argumente mitlesen können. Journalistin Larissa Holzki empfiehlt deshalb in ihrem Plädoyer „Schafft die Powerpoint ab“: „Wer gehört werden will, darf keine Powerpoint zeigen. Wenn Menschen eine Folie anschauen, können Sie später möglicherweise die gebeamten Sätze erinnern, aber nicht, was dazu gesagt wurde“. Es lohne also eigentlich gar nicht, Schülern und Studenten beizubringen, wie sie sich und ihre Unsicherheit hinter bunten Schriftarten und kreativen Seitenwechseln verstecken. Viel besser wäre es, ihnen beizubringen, mit echter Aufmerksamkeit umzugehen.

Große Langeweile dank PPT

Der Rhetoriktrainer Matthias Pöhm, der Politiker und Manager für ihre öffentlichen Auftritte coacht, setzt auf die 100 Stunden Vorbereitungszeit für PowerPoints noch einen drauf: Er rechnet die Stundenlöhne von mental abwesenden Vortragszuhörern zusammen und landet für Deutschland bei etwa 250 Millionen Euro, die jährlich bei langweiligen PowerPoint-Präsentationen in Bilanzmeetings vergeudet werden. Also hat er im Jahr 2011 in der Schweiz die „Anti-Powerpoint-Partei“ gegründet. Diese versteht sich nach eigenen Angaben als Anwalt der schätzungsweise 250 Millionen Bürger weltweit, die bei langweiligen Präsentationen in Unternehmen, in der Universität oder in der Ausbildung zwangsweise anwesend sein müssen. „Hört auf mit betreutem Lesen“, lautet ihr Motto. Doch welche Alternativen gibt es?

Freies Sprechen bündelt  Aufmerksamkeit

Matthias Pöhm hat zwei Vorschläge: Entweder, der Sprecher hält seine Präsentation frei, oder er nutzt anstelle der PowerPoint das Flipchart. Der Rhetoriktrainer empfiehlt: „Lassen Sie die Textfolie ganz weg und sprechen frei. Ja, wirklich frei, ohne jegliche Unterstützung durch eine Textfolie. Nichts im Hintergrund lenkt die Aufmerksamkeit ab.“ Anders sei es hingegen mit PowerPoint-Präsentationen zur vermeintlichen Unterstützung: Weil der Redner diese als Stichwortgeber benutzt, passt er seine eigentlich anschauliche Sprache an das dort fixierte Akademikerdeutsch an. Dem kann das Publikum nur schwer folgen und verabschiedet sich folglich mental aus dem Vortrag.

The Return of the Flipchart

Die zweite Alternative zur PowerPoint kommt auf den ersten Blick viel weniger modern und beeindruckend daher. Denn für das Arbeiten mit Flipchart braucht es nur einen großen Block Papier und verschiedene Stifte. „PowerPoint wird fast niemals einen echten Menschen schlagen, der am Flipchart etwas kreiert. Denn die Wirkung der Darstellung wird nicht durch das fertige Ergebnis erzeugt, sondern durch den Akt des Erschaffens des Ergebnisses“, sagt Pöhm. Einen weiteren Vorteil dieser Methode sieht der Experte darin, dass sich Publikum nur dann bewegen kann, wenn der Redner sich selbst bewegt. „Am Flipchart bewegt sich ein echter Mensch, nicht Bits und Bytes – und das bewegt Menschen.“

VON HEIKE THISSEN