You are here

Traumberuf für Nervenstarke

Das Studienangebot rund um das Thema „Nachhaltigkeit“ wächst – auch für Berufstätige.
Veröffentlicht am 09.01.2021
Auch zum Thema Nachhaltigkeit: Grüne Knöpfe lagen bei einer Konferenz zum Textilsiegel „Grüner Knopf“. Mit dem Siegel will die Bundesregierung soziale und ökologische Standards in der Textilbranche voranbringen. Bild: dpa

Die ersten Karrierestationen von Erik Mundinger klangen noch sehr klassisch: Nach dem Abitur absolvierte der Heilbronner eine Ausbildung zum Bankkaufmann, es folgte ein Bachelor in BWL. Doch im Anschluss setzte der heute 28-Jährige ein Masterstudium an der Universität Ulm darauf – im Studiengang „Nachhaltige Unternehmensführung“. Noch klingt das etwas ungewohnt, aber exotisch ist der Akzent auf der „Nachhaltigkeit“ schon lange nicht mehr. Nicht nur hat der Begriff in Politik und Gesellschaft eine steile Karriere hingelegt, es gibt auch immer mehr Studienangebote.

Mundinger hat in seiner Masterarbeit am Beispiel der UmweltBank Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung untersucht, seit Februar 2019 ist er Nachhaltigkeitsbeauftragter des Finanzdienstleiters. „Wirkungsmessung und Wirkungssteuerung“ sind die Überschriften seines Jobs. So fragt er die Stakeholder der Bank gerade im Rahmen einer Umfrage danach, welche Nachhaltigkeitsthemen sie für besonders berichtenswert halten. Daneben überprüft er, ob die Immobilienfinanzierungen der Bank ,zum Beispiel tatsächlich dafür sorgen, dass in Mietshäusern eine bestimmter Prozentsatz an Wohnungen für Geringverdiener bezahlbar ist. Nachhaltigkeit bedeutet längst nicht mehr ökologisch, sondern immer auch sozial und ökonomisch.

Entsprechend breit sind die meisten Studiengänge angelegt, und entsprechend vielfältig ist auch das berufsbegleitende Angebot. Es reicht von der sechsmonatigen Weiterbildung als Fernstudium für 800 Euro bis zum MBA für knapp 16.000 Euro. Der Studiengang „Sustainable Change – Vom Wissen zum Handeln“ am Umweltcampus Birkenfeld der Hochschule Trier liegt mit Studiengebühren von 8.400 Euro für vier Semester preislich im Mittelfeld. Inhaltlich sieht man  sich aber als Pionier. Nicht nur wurde Birkenfeld im GreenMetrics-Ranking gerade zum  vierten Mal in Folge zum „grünsten Campus Deutschlands“ gewählt, darüber hinaus sind alle 26 Studiengänge, darunter BWL, Jura, Maschinenbau, Verfahrenstechnik oder Informatik, mit dem Thema der Nachhaltigkeit verknüpft. „Die Berührungspunkte gibt es überall“, sagt Dekan Prof. Dr. Klaus Helling, und die Vielfalt der berufsbegleitend Studierenden spiegelt das. Da gibt es die Eventmanagerin, die den Naturschutz für sich entdeckt, den Werber, der Sinnstiftung sucht, oder den Beamten aus der Staatskanzlei. Einige von ihnen bekomme das Studium vom Arbeitgeber sogar bezahlt.

Neben dem fachlichen Wissen hält Helling, selbst Nachhaltigkeitsbeauftragter des Campus,  „die Fähigkeit, die Position des Anderen verstehen zu wollen und zu können, Geduld und Hartnäckigkeit“ für die wichtigsten Eigenschaften, die in diesem Job gefragt sind. Und Kreativität, denn, so Hellings Rat: „Man muss Themen setzen, die Spaß machen.“

Eine Wohfühloase ist Nachhaltigkeit indes keineswegs. „Man braucht gute Nerven, denn unter jedem Teppich, den man hochhebt, findet man etwas“ bestätigt Steffen Fischer, Personalgeschäftsführer beim Sensorhersteller ifm aus Tettnang, der Rahmen eines Lieferantenaudits kurzerhand zum sozialen Nachhaltigkeitsbeauftragten des Unternehmens ernannt wurde. Doch zumindest für Erik Mundinger steht fest: „Wenn man für das Thema brennt, ist es ein Traumberuf.“

VON JENS POGGENPOHL